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Keiner kann es sich heutzutage leisten, sich mit dem Thema Gewalt NICHT auseinanderzusetzen

Gewaltprävention umfasst viel mehr als nur Selbstverteidigungstechniken. Bevor es überhaupt zu einer körperlichen Auseinandersetzung kommt, geschehen bereits viele Dinge, die über die Eskalation einer Situation entscheiden. Prävention bedeutet dabei nicht, Schuld oder Verantwortung auf die Betroffenen zu schieben, sondern ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, um frühzeitig auf Gefahrensituationen zu reagieren und sich mental, emotional und physisch zu wappnen.

Warum Prävention so wichtig ist

Gewalt betrifft uns alle, unabhängig von Geschlecht, Alter oder sozialen Umständen. Deshalb ist es entscheidend, die Augen zu öffnen und die Realität zu erkennen. Es geht darum, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und im eigenen Tempo zu handeln, bevor sich die Situation zuspitzt.

Viele Menschen fühlen sich in der Sicherheit ihres Alltags gefangen und denken, dass Gewalt etwas ist, das anderen passiert. Doch das kann trügerisch sein. Die Wahrheit ist: Prävention beginnt im Alltag – in kleinen Momenten, die möglicherweise den Unterschied ausmachen können. Es geht um Bewusstsein, Achtsamkeit und den Mut, für sich selbst einzustehen.

Persönliche Grenzen verstehen und verteidigen

Jeder von uns hat persönliche Grenzen, doch oft ist es schwierig, diese klar zu kommunizieren, besonders in einer Gesellschaft, die Höflichkeit und Anpassung hoch schätzt. Insbesondere Frauen wurden oft dazu erzogen, „nett“ zu sein, was dazu führen kann, dass sie zögern, sich zu wehren oder „Nein“ zu sagen, wenn jemand ihre Grenzen überschreitet.

Doch es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und zu verteidigen – ohne Angst vor gesellschaftlicher Ablehnung. Wenn jemand zu nahe kommt oder dich in irgendeiner Weise bedroht, hast du jedes Recht, das klar zu kommunizieren. Das heißt nicht, dass du die Verantwortung für die Situation trägst. Es bedeutet, dass du die Kontrolle darüber behältst, wie du darauf reagierst.

Psychologie in der Gewaltprävention

Gewaltprävention sind die Strategien (beginnend bei Deeskalation), die uns entweder ermöglichen, einer Situation zu entfliehen, sie zu entschärfen oder bestmöglichst aufgestellt zu sein, um erfolgreich zu handeln. Unsere Erziehung und sozialen Normen prägen unser Verhalten tiefgreifend. Gerade Frauen müssen oft gegen die Konditionierung ankämpfen, „lieb und höflich“ zu bleiben – selbst in bedrohlichen Situationen. Diese Barriere zu durchbrechen, erfordert Bewusstsein und Übung.

Das Bauchgefühl spielt dabei eine zentrale Rolle: Wenn du dich in einer Situation unwohl fühlst, solltest du deinem Instinkt vertrauen. Es gibt keinen Grund, an dir selbst zu zweifeln, wenn dein Körper und Geist Alarm schlagen. Klarheit und Selbstbewusstsein im Handeln sind entscheidend.

Übungen zur Selbstbehauptung: Stimme, Körperhaltung und Distanz

Ein wesentlicher Teil der Gewaltprävention ist das bewusste Einsetzen von Stimme und Körpersprache. Oft reicht es, eine selbstbewusste Haltung einzunehmen, um eine potenzielle Gefahr abzuwenden. Achte darauf, wie du stehst: Nimm Raum ein, steh aufrecht und vermeide eine eingeschüchterte Haltung. Deine Körperhaltung sollte signalisieren, dass du dich selbstbewusst und sicher fühlst und bereit bist zu handeln, was eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Angreifer haben kann.

In bedrohlichen Situationen ist es wichtig, klar und laut zu sprechen. Anweisungen wie„Bleiben Sie stehen!“ oder „Lassen Sie mich in Ruhe, ich will nichts mit Ihnen zu tun haben“ können Aufschluss darüber geben, ob ich mich gleich körperlich zur Wehr setzen muss – nämlich dann, wenn das ignoriert wird.

Gewaltprävention und Traumata

Bei Menschen mit Gewalterfahrung ist das größte Thema, ihre Grenzen zu definieren und vor allem zu kommunizieren. Deshalb gehört hier bei einem Selbstverteidigungstraining vor allem dazu, sich Situationen zu stellen, in denen Grenzen klar kommuniziert sein müssen und in Folge bei Ignorieren derer ein Lösungsansatz für das körperliche Durchsetzen der Grenzen trainiert wird.

Durch behutsames Training und gezielte Übungen kannst du lernen, deine Reaktionen auf Stress und Gefahr zu kontrollieren. Die Möglichkeit, deine Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen und aktiv an deiner Sicherheit zu arbeiten, stärkt nicht nur deine körperlichen, sondern auch deine psychischen Ressourcen.

Nach traumatischen Erlebnissen ist es wichtig zu verstehen, dass das Gehirn in der Lage ist, neue Verhaltensweisen zu erlernen und alte, belastende Muster zu überwinden. Durch gezielte Übung und Training kann das Nervensystem „umprogrammiert“ werden, sodass du in gefährlichen Situationen handlungsfähig bleibst. Dies erfordert jedoch Zeit, Geduld und professionelle Begleitung, besonders bei tiefgreifenden Traumata.

Fazit

Gewaltprävention ist nicht optional, sie ist eine unverzichtbare Notwendigkeit. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass Gewalt nur anderen widerfährt. Prävention bedeutet nicht, die Verantwortung auf die Betroffenen zu schieben, sondern sie mit den Fähigkeiten auszustatten, die sie benötigen, um sich in kritischen Situationen zu schützen. Es geht nicht um Schuld oder Pflicht, sondern um Selbstermächtigung und das Bewusstsein, dass jeder das Recht hat, sich sicher zu fühlen – egal wann und wo.

Über die Autorin

Anke Fischer ist erfahrene Trainerin für Frauenselbstverteidigung, die ihr Fachwissen mit einem klaren Fokus auf effektive Wehrfähigkeiten teilt. Mit Qualifikationen wie dem 4. Dan im Krav Maga Street Defence und dem Brazilian Jiu-Jitsu Blackbelt vermittelt sie Frauen nicht nur physische, sondern auch mentale Stärke. Des Weiteren besitzt  sie eine Zertifizierung als Trauma informed Coach für Martial Arts von Off the Zone. Außerdem hat sie gerade einen Online-Kurs zum Thema Gewaltprävention fertiggestellt. 

https://www.wsd-selbstverteidigung.de
https://www.instagram.com/wsd_ankefischer
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